Ein Mentoringprogramm des Rheinischen Sparkassen-
und Giroverbands will mehr Frauen in Führungs- und Karrierepositionen bringen. Die zweite Runde des Programms ist jetzt gestartet. Ein Zwischenbericht stimmt optimistisch.
Frauen und Männer in Deutschland leben 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts weitgehend gleichberechtigt. Aber nur weitgehend. Der Blick
auf den Anteil deutscher Frauen in Führungspositionen ist desillusionierend: Im Ranking des Weltwirtschaftsforums von 2017 liegt Deutschland auf Platz 43 – Burundi, Barbados und die Bahamas liegen auf den ersten drei Plätzen. In den deutschen Sparkassen betrug 2017 der Anteil von Frauen an Vorstandspositionen 4,7 Prozent. Laut dem Managerinnen-Barometer von 2018 steigt der Frauenanteil in Spitzengremien der Finanzwirtschaft langsamer als zu Beginn des Jahrzehnts.
Wie sieht nun die berufliche Situation von Frauen in den rheinischen Sparkassen
aus? Nicht wirklich anders. Denn obwohl sie mit einem Anteil von 61,42 Prozent Frauen an der Gesamtheit aller Beschäftigten überwiegend weiblich sind, finden sich nur 7,22 Prozent von ihnen ganz oben, also im Vorstand einer Sparkasse im Rheinland (Stand: Ende 2018). Im Januar 2019 war in der SparkassenZeitung zum Thema allgemein zu lesen: „Der Frauenanteil in Vorständen deutscher Kreditinstitute wächst so schleichend, dass eine Parität der Geschlechter in Führungspositionen wohl erst zur Jahrhundertwende erreicht wird.“
Die Sparkassen im Rheinland und der Rheinische Sparkassen- und Giroverband (RSGV) sind sich dieser Problematik bewusst und wollen gegensteuern, das heißt, gezielt mehr Frauen in Führungs- und Karrierepositionen bringen. Cross Mentoring zwischen den rheinischen Sparkassen ist die erste von ihnen ergriffene Maßnahme. Mentoring ist eine Personalentwicklungsmaßnahme, bei der eine erfahrene Person ihr Wissen oder ihre Erfahrung an eine weniger erfahrene Person weitergibt. Potenzialträgerinnen sollen sichtbar gemacht, auf ihrem individuellen beruflichen Karriereweg gestärkt und letztlich be- und gefördert werden. Dieses Ziel ist zudem der Überzeugung geschuldet, dass es für die Sparkassen betriebswirtschaftlich von Vorteil ist, die Frauen zu halten, in deren Aus- und Weiterbildung sie viel Geld investiert haben. „Ich bin davon überzeugt, dass ein ‚Mehr an Frauen‘ in verantwortlichen Managementpositionen betriebswirtschaftlich sinnvoll ist und zu einem noch erfolgreicheren Arbeiten führt“, so Michael Breuer, Präsident des RSGV.
Bereits im ersten Jahr hat das rheinische Cross-Mentoring-Programm das Gütesiegel der
Deutschen Gesellschaft für Mentoring (DGM) in Berlin erhalten. Geprüft worden sind unter anderem die allgemeine Organisation des Programms, aber auch die Inhalte, wie zum Beispiel das Rahmenprogramm und seine Ziele, die Begleitung der Sparkassen durch den RSGV und das Controlling. Das erste Cross-Mentoring-Jahr ist filmisch festgehalten worden: Es gibt zwei Filme, einen zum Start des Programms, einen am Ende. Beide sind auf der Facebook-Seite des RSGV richtige Quotenknaller.
Cross Mentoring: Die zweite Runde ist gestartet
Wieso aber haben sich die rheinischen Sparkassen und der RSGV als erstes für Cross Mentoring entschieden? Basis für diese Entscheidung war im Sommer 2016 ein Workshop mit ausgewählten rheinischen Instituten zu der Frage, wie der Frauenanteil an den Karrierepositionen erhöht werden kann. Beim Workshop sind verschiedene Themen priorisiert worden, dabei wurde Cross Mentoring als besonders wichtig eingestuft und dem RSGV der Auftrag erteilt, unter Hinzuziehung der Sparkassenakademie Nordrhein-Westfalen ein zwölfmonatiges Cross Mentoring-Programm für die rheinischen Sparkassen zu entwickeln.
Der Startschuss für die erste Cross Mentoring-Runde fiel im Oktober 2017. 15 der damals noch 31 rheinischen Institute entsandten insgesamt 19 Mentees sowie 19 Mentorinnen und Mentoren, unter ihnen viele Vorstandsmitglieder – im Übrigen auch das ein Beleg für die Ernsthaftigkeit, mit der die Sparkassen im Rheinland das Thema „Frauenförderung“ betreiben. Die zweite Runde Cross Mentoring ist Mitte April 2019 gestartet; von den 30 rheinischen Sparkassen nehmen 16 Institute mit 20 Mentees und Mentorinnen/Mentoren teil (mit erneut vielen Vorstandsmitgliedern). Die Mentees im Rheinland sollen erste Führungserfahrung vorweisen, eine Altersgrenze gibt es nicht. Gewollt ist ein heterogener Charakter, der die Struktur der Sparkassen im Rheinland widerspiegelt.
Um für die zweite Runde Cross Mentoring Werbung zu machen, hat der RSGV eine entsprechende Broschüre auflegen lassen, in der die wichtigsten Informationen zusammengefasst sind. Zusätzlich gibt es einen Leitfaden, der allen Beteiligten eine erste Orientierung für das Cross Mentoring-Jahr geben soll. Im Intranet der rheinischen Sparkassen findet sich zudem ein interaktives Forum „Cross Mentoring“, in das sämtliche Informationen eingestellt werden und in dem auch miteinander diskutiert werden kann.
Für die Dauer eines Jahres arbeiten die einzelnen Tandems, Mentee und Mentorin/ Mentor, in einer hierarchiefreien Partnerschaft zusammen. Die Betonung liegt hier auf hierarchiefrei: Unabhängig vom eigenen Status begleitet die Mentorin oder der Mentor die Mentee, steht ihr mit Rat und Tat zur Seite. Über die Inhalte der Zusammenarbeit entscheidet vorrangig die Mentee. Nicht die Mentorin oder der Mentor machen mal, sondern die Mentee definiert eigenverantwortlich die für sie wichtigen Fragen.
Mittlerweile ist es fast schon eine Binsenweisheit, dass Netzwerke für das berufliche Fortkommen unermesslich wichtig sind und Frauen sich damit schwerer tun als Männer. Somit ist ein weiteres Ziel des rheinischen Cross-Mentoring-Programms, den Impuls für eine Netzwerkbildung unter den Mentees zu geben. Gemeinsames Erleben ist dafür wie gemacht, am besten in einer für alle neuen Welt. Von daher ist pro Runde ein aus drei Veranstaltungen bestehendes Rahmenprogramm entwickelt worden. So gab es für die Mentees der ersten Runde eine Sonderführung durch die Ausstellung „Generation loss“ in der Julia Stoschek Collection Düsseldorf, und sie konnten an einem Säbelfechttraining mit dem damals noch amtierenden Europameister im Olympiastützpunkt Dormagen teilnehmen. Die Mentees der zweiten Runde werden im Sommer 2019 den Landtagspräsidenten im nordrhein- westfälischen Landtag zum Gespräch treffen, im März nächsten Jahres werden sie ein eintägiges Schauspieltraining absolvieren. Hinzu kommt als fester Bestandteil ein Stil- und Etikettetrainung, denn je höher der berufliche Rang, desto verzwickter können die Regeln auf dem Parkett sein.
Am Ende der zwölf Monate Cross Mentoring gilt es, ein Resümee zu ziehen. Was hat sich für die Sparkasse getan, was für die Mentorin oder den Mentor, was für die Mentee? Antwort: Die Sparkasse hat an ihrer Arbeitgeberattraktivität gefeilt; weibliche Nachwuchskräfte können gehalten oder gar neu gewonnen werden. Die Mentorin oder der Mentor profitieren, weil sie neue Sichtweisen kennenlernen. „Wir Sparkassen brauchen engagierte Talente. Dabei erlebe ich Mentoring – sowohl intern als auch sparkassenübergreifend – immer wieder als Win-win-Situation. Ich freue mich darüber, meine Erfahrungen und mein Wissen zu teilen und erhalte gleichzeitig neue Impulse, andere Perspektiven oder auch mal den Spiegel vorgehalten. All das ist im vertraulichen Rahmen des Mentorings möglich“, bekräftigt Michael Schmuck, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Neuss und Mentor in der ersten Runde des rheinischen Cross Mentoring-Programms.
Und die Mentees? Um es noch einmal zu betonen, Ziel des Programms ist ihre berufliche Fortentwicklung. Durch Cross Mentoring haben sie für eine begrenzte Dauer einen besonderen Sparrings-Partner an ihrer Seite. In dieser Zeit ist ihre bewusste Auseinandersetzung mit ihrem beruflichen Weg gefragt. Als ein Ergebnis sollten sie gelernt haben, für sich und ihre Ziele einzustehen.
„Jetzt ist es wichtig, dass die ehemaligen Mentees im Unternehmen auch aktiv nach mehr Verantwortung fragen.“
Diane Jägers, Leiterin der Abteilung Gleichstellung im NRW-Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung
„Richtig spannend wird es (…) nach Beendigung des Programms. Jetzt ist es wichtig, dass die ehemaligen Mentees im Unternehmen auch aktiv nach mehr Verantwortung fragen. Wenn es drauf ankommt, trauen Frauen sich selbst leider oft zu wenig zu. Ich möchte deshalb alle Teilnehmerinnen ermutigen: Zeigen Sie sich, bringen Sie Ihre Talente ins Gespräch und warten Sie nicht darauf, dass jemand Sie entdeckt“, sagt Diane Jägers, Leiterin der Abteilung Gleichstellung im NRW-Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, anlässlich der feierlichen Verabschiedung der Mentees der ersten Runde im Oktober 2018.
Für sie kann schon jetzt festgehalten werden, dass einige von ihnen einen Karriereschritt gegangen sind. Das motiviert und erlaubt die Annahme, dass sich die eingangs zitierten Zahlen schneller ändern werden als prognostiziert.