„Frauen sollten für sich klar haben, worauf sie sich fokussieren wollen“

Interview mit Marie-Theres Jakobs-Bolten

Seit dem 1. April 2020 ist Marie-Theres Jakobs-Bolten Mitglied im Vorstand der Kreissparkasse Heinsberg und damit eine der wenigen Vorständinnen in den rheinischen Sparkassen. In der zweiten Runde Cross Mentoring der rheinischen Sparkassen ist sie zudem als Mentorin engagiert. Allein das sind zwei gute Gründe, um sie in einem persönlichen Gespräch nach ihrem Werdegang und den dabei gemachten Erfahrungen sowie ihren Tipps für den weiblichen Nachwuchs in den Sparkassen zu fragen.

Frau Jakobs-Bolten, zunächst möchten auch wir Ihnen sehr herzlich zu Ihrer neuen Funktion gratulieren. Damit sind Sie eine von wenigen Frauen in den rheinischen Sparkassen, die es nach ganz oben geschafft haben. War das immer ein Ziel von Ihnen?

Herzlichen Dank!

Ich glaube, dass nur wenige junge Leute ein so konkretes Ziel bezüglich ihrer beruflichen Position haben. Ich hatte es jedenfalls damals nicht. Nach Beendigung der Ausbildung zur Bankkauffrau wollte ich erst mal was Anderes machen und habe an der Universität in Köln Wirtschaftspädagogik mit den Schwerpunkten Bankbetriebswirtschaftslehre und Betriebliche Finanzierungslehre studiert. Danach bin ich wieder zurück zur Sparkasse, um dort nach einem kurzen Traineeprogramm die Leitung der damaligen Abteilung Aus- und Fortbildung zu übernehmen. Anschließend ging mein Weg Schritt für Schritt weiter.

Mein Ziel war jedoch von Anfang an, immer auf eigenen Füßen stehen zu können und selbstständig zu sein.

Wie haben Sie denn Familie und Karriere unter einen Hut bekommen?

Für mich war immer klar, dass ich durchgängig berufstätig sein wollte, um mein Ziel „wirtschaftliche Unabhängigkeit“ nicht aus den Augen zu verlieren. Ich hatte bei meinen Entscheidungen immer die volle Unterstützung meines Mannes. Auch konnte ich mich über viele Jahre auf mein familiäres Netzwerk verlassen. Für manche Dinge war natürlich keine oder wenig Zeit vorhanden. Aber durch eine gute Organisation haben wir Vieles geschafft. Ich habe aber auch wenig vermisst, da mir meine Arbeit immer viel Spaß gemacht hat und Erfüllung gegeben hat. Gleichzeitig hat mir meine Familie viel Kraft gegeben.

Was hat Ihnen auf Ihrem beruflichen Weg sehr geholfen?

Mir hat sicher geholfen, dass ich sehr von dem überzeugt bin, was wir in den Sparkassen tun. Unser Öffentlicher Auftrag – der Begriff hört sich eher uncool und etwas altbacken an – ist aus meiner Sicht mehr denn je unser Pfund, um uns von anderen Instituten abzugrenzen und im Markt zu behaupten.

Ich habe auch durch unseren damaligen Vorstandsvorsitzenden viel Förderung durch die Übertragung besonderer Aufgaben erfahren. Diese Chancen habe ich genutzt.

Ist Frauenförderung in unserer modernen Zeit noch notwendig oder ist es ein Relikt aus dem letzten Jahrhundert?

Ich habe lange geglaubt, es geht ohne eine entsprechende Förderung und gedacht, „Du hast es ja auch geschafft und bist Schritt für Schritt weitergekommen“. Das war falsch. In unserer Sparkasse haben wir dann im Jahr 2014 ein Frauenförderkonzept verabschiedet. Inzwischen haben wir immer mehr Frauen, die sich auf den Weg gemacht haben oder machen, eine Fach- oder Führungskarriere anzustreben.

Was genau macht die KSK Heinsberg, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen?

Als praktisch erstes Angebot bieten wir seit vielen Jahren ein spezielles Seminar für Kolleginnen an zum Themenfeld „eigene Potenziale erkennen und nutzen“. Auch in unserem Haus gibt es ein Mentoringprogramm, das aber früher ansetzt als das Cross Mentoring-Programm des RSGV. Weiter haben wir geregelt, dass Führungsaufgaben auch von Teilzeitbeschäftigten übernommen werden können. Dies gilt bis zur Ebene unterhalb des Vorstandes.

Was meinen Sie: Welche Wirkung hat es nach innen und nach außen, dass Ihre Sparkasse erstmals ein weibliches Vorstandsmitglied hat?

In unserer Sparkasse haben sich gerade viele Frauen mit mir gefreut, dass ich diese Position übernommen habe. Es ist ein klares Zeichen, dass es zu schaffen ist, als Frau in den Vorstand zu kommen. Ich hoffe, dass dies den Kolleginnen Mut macht, weiter an ihren Karrieren zu arbeiten.

Die Wirkung nach außen finde ich schwer einzuschätzen. Vor dem Hintergrund der permanenten Diskussion über den immer noch geringen Anteil von Frauen in Führungspositionen ist die Wirkung sicher positiv.

Was raten Sie Frauen, die Vorständin werden möchten?

Der Weg in den Vorstand eines Kreditinstitutes und damit auch einer Sparkasse ist ja nicht nur für Frauen lang. Gerade für Frauen halte ich es für wichtig, für sich herauszufinden, wie das eigene Lebensmodell aussehen soll. Frauen sollten für sich klar haben, worauf sie sich fokussieren wollen. Das ist oft nicht der Fall. Wenn eine Frau beruflich Karriere machen möchte, mit welchem Ziel auch immer, ist es wichtig, dass dies auch in einer Partnerschaft akzeptiert ist und man sich gegenseitig unterstützt und trägt.

Sie sind Mentorin in der zweiten Runde des Cross Mentorings des RSGV, warum?

Da ich auch bei uns in der Sparkasse bereits zwei Mentees betreut habe beziehungsweise betreue, hat mich natürlich zum einen gereizt zu erfahren, wie das Cross Mentoring-Programm ausgestaltet ist. Zum anderen interessiert mich auch der Blick über den Tellerrand unseres Hauses und eine Kollegin aus einem anderen Haus kennenzulernen und ein Stück auf ihrem Weg zu begleiten.

Wie sieht Ihre Tandem-Beziehung aus?

Wir haben uns – zumindest bis die Corona-Einschränkungen begannen – regelmäßig getroffen. In der Regel bei uns in der Sparkasse. Ich habe meine Mentee aber auch an ihrem Arbeitsplatz besucht. Wenn etwas Akutes anlag, haben wir uns auch telefonisch ausgetauscht. Meine Mentee hat mich auch bei einer Kundenveranstaltung begleitet. Sie hat sich weiter mit dem Leiter eines Fachbereiches bei uns im Haus zu einem für sie gerade sehr relevanten Thema intensiv ausgetauscht.

Sind Sie bei Ihrer Mentee „nur“ Ratgeberin oder können Sie auch etwas mitnehmen?

Ich konnte auch für mich einiges mitnehmen, da meine Mentee in einem Bereich arbeitet, den wir in unserem Haus zu dieser Zeit gerade aufbauten. Durch die Gespräche mit ihr habe ich darüber hinaus noch die eine oder andere eigene Erfahrung, über die ich ihr berichtet habe, erneut reflektiert.

Was meinen Sie: Gehen die Frauen als Gewinnerinnen oder als Verliererinnen aus der Corona-Krise heraus?

Positiv ist sicher, dass die Themen „mobiles Arbeiten“ beziehungsweise „Homeoffice“ einen großen Schub bekommen haben und hierzu viele Erfahrungen gesammelt werden, die sicher wertvoll für die künftige Nutzung dieser Arbeitsformen sind. Das kann auch den Frauen helfen.

Ich sehe die Gefahr, dass durch die Verbreitung des Arbeitens im Home-office eventuell der Druck auf Frauen wieder größer wird, diese Arbeitsform zu nutzen, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Dies würde dann wieder dazu führen, dass Frauen in der Wahrnehmung weniger präsent sind. Um Kariere zu machen, ist es aber einfach wichtig, Präsenz zu zeigen.

Vielen Dank, Frau Jakobs-Bolten, für dieses sehr interessante und auch offene Gespräch. Uns hat es sehr viel Freude bereitet.

Beruflicher Werdegang von Marie-Theres Jakobs-Bolten